nonoise: Elegie. Oder Ode.

Eine klangliche Bühne für Friedrich Hölderlin

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Im März wäre Friedrich Hölderlin 250 Jahre alt geworden. Am 9. und 10. Oktober widmet ihm die Bamberger VHS eine Uraufführung des Ensembles nonoise von Jochen Neurath mit dem Titel: Elegie. Oder Ode. (An Friedrich H.). Fazit: Musik für Fortgeschrittene.

Nach über 200 Jahren der Interpretation, Inszenierung und Adaption gibt es, so möchte man meinen, einem Werk wie dem von Lyriker Friedrich Hölderlin nicht mehr allzu viel Neues hinzuzufügen. Komponist Jochen Neurath hat es mit seinem Ensemble nonoise trotzdem versucht. Herausgekommen ist eine hochabstrakte Verschmelzung zeitgenössischer Klanggebilde mit Gedichten Hölderlins. Wir haben mit Jochen Neurath gesprochen.

Jochen Neurath, Foto: S. Quenzer

Herr Neurath, was ist Ihre persönliche Beziehung zu Friedrich Hölderlin?

Jochen Neurath: Der äußere Anlass für die Uraufführung ist sein 250. Geburtstag, der innere besteht darin, dass er mich schon seit Jugendjahren, seitdem ich mich für Musik und Literatur interessiere, begleitet. Außerdem habe ich der Schule ein bisschen Altgriechisch gelernt, aus dessen Dichtung und Mythologie Hölderlin in seinen Gedichten sehr viel schöpft. Er war für mich immer einer der faszinierendsten Dichter überhaupt und in der Epoche, in der er gewirkt hat, war er sehr speziell und seiner Zeit voraus. Seine Gedichte sind dermaßen intensiv und emotional, dass sie mich immer wieder umhauen und auf einer elementaren emotionalen Ebene ansprechen, wie es sonst eigentlich nur Musik tut.

Worin besteht der Ansatzpunkt für musikalische Verwertbarkeit seiner Gedichte?

Jochen Neurath: Friedrich Hölderlin hat eine eminent musikalische Sprache, einen unglaublichen Sinn für Rhythmus und Feinheiten des Sprachklanges. Und all das im Verbund mit einer spannend disparaten Ästhetik in seinen Gedichten. Oft werden in einem Gedicht ganz verschiedene Bilder und Vorstellungen zusammengespannt, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, auf einer höheren Ebene aber auf jeden Fall zusammengehören. Das wirkt für mich eher wie ein Musikstück, in dem ein Thema aufgestellt wird, dann folgt ein kontrastierendes Gegenthema, dann die Zusammenführung. Da sehe ich sehr viele Bezüge zu musikalischen Verläufen.

Um welche Werke Hölderlins wird es konkret gehen?

Jochen Neurath: Im Hintergrund werden viele seiner Werke herumschwirren – oft aber nur angestupst. Es geht nämlich nicht darum, ein musikalisches Seminar zu Hölderlin zu machen, sondern in der Ästhetik, die wir mit nonoise entwickelt haben, dem nachzuhorchen, was Hölderlin in der Ferne für uns ist.

Das heißt?

Jochen Neurath: Die Welt, in der Friedrich Hölderlin vor 250 Jahren geboren wurde, auch die geistige, war eine vollkommen andere. Die Art, wie Sprache in der Lyrik benutzt wurde, hatte einen vollkommen anderen Stellenwert als heute. Das heißt, für mich ist es ein bisschen so, dass Hölderlin heute nur noch aus fernen Echos wahrnehmbar ist. Deshalb wird es nicht einfach dichtgepackt Hölderlin-Text auf Hölderlin-Text geben, sondern viele, eher transparente Klangflächen, in denen ab und zu ein Hölderlin-Text durchscheint. In der Ankündigung haben wir es ein bisschen spaßig mit den Worten zusammengefasst „Hölderlin war nie in Bamberg. Wir horchen den Echos seiner Vorbei-Reisen nach.“ Er war nie hier, ist aber mehrfach vorbeigereist und wir hören vielleicht die Echos des Hufgetrampels seiner Kutschen.

Das klingt alles sehr abstrakt. Wie wird die Zusammenführung von Musik und Literatur genau ablaufen?

Jochen Neurath: Das Allerwichtigste im Ensemble nonoise ist, aufeinander zu hören. Alle produzieren Klänge selber, auf verschiedenen Instrumenten – welche, will ich noch nicht verraten –, sind sich bewusst, was sie machen, und hören aber auch immer darauf, was die anderen an Klängen beisteuern. Es entsteht also ein Klanggewebe, das insgesamt eine Aufmerksamkeit auf Klänge, auf Raum und Echos lenken und das genaue Hinhören etablieren soll. Wenn dann ein paar Worte aus einem Hölderlin-Gedicht dazukommen, haben diese eine ganz andere Möglichkeit auf das Publikum zu wirken, als wenn sich jemand hinstellt und ein Gedicht vorliest. Man könnte sagen, dass wir für Hölderlins Gedichte eine klangliche Bühne bereiten.

Worte und Musik werden also zusammengebracht, ohne dass das eine notwendigerweise aus dem anderen hervorgeht, ohne dass die Musik eine Vertonung der Gedichte ist?

Jochen Neurath: Genau. Mit unseren Klängen tragen wir die Gedichte sozusagen auf den Händen und im Grunde entspringt das Ganze meiner Vorstellung, dass Sprache immer auch einen musikalischen Aspekt hat und ich auch gesprochene Sprache als Musik empfinden kann. Und diese Anschlussfähigkeit zwischen Musik und Sprache ist bei Hölderlin eben besonders ausgeprägt.

Werden Sie dem Publikum diese Ausführungen vor Beginn der Konzerte auch machen? Besteht ansonsten nicht das Risiko, dass das Publikum die genannten Zusammenhänge nicht erkennt?

Jochen Neurath: Es wird zu Beginn ein paar Worte geben, aber nicht so detailliert. Aber darin sehe ich die Herausforderung an mich als Komponist und ich vertraue – ganz unbescheiden gesagt – meinen kompositorischen Erfahrungen soweit, das Stück so zu gestalten, dass ein klarer, nachvollziehbarer formaler Ablauf vorhanden und erkennbar ist, der die Leute mitträgt und ihrem Verständnis Halt gibt. Wir versuchen, eine derart dichte Atmosphäre zu erschaffen, dass die Leute für sich annehmen können, was wir machen.

Geben Sie sich Gedankenspielen hin, wie wohl Friedrich Hölderlin auf Ihre Herangehensweise an seine Werke reagiert hätte?

Jochen Neurath: Das ist sehr schwer – unter anderem eben auch deswegen, weil die Zeiten so grundlegend andere sind. Diese Art der musikalischen Arbeit, wie ich sie mit nonoise versuche, wäre zu Zeiten Hölderlins nicht im Entferntesten denkbar gewesen. Es ist nicht mal bekannt, ob er selbst gerne Musik gehört hat und wenn ja, welche. Aber vielleicht hätte es ihm gefallen, dass sich die Musik, wie in diesem Fall, soweit zurücknimmt, dass sie seine Texte fast wie auf Händen trägt.

Ensemble nonoise

Elegie. Oder Ode. (An Friedrich H.): Zu Friedrich Hölderlins 250. Geburtstag

9. Oktober, 20 Uhr und 10. Oktober, 17 Uhr

VHS Bamberg im Alten E‑Werk

Bitte vorher anmelden unter www.vhs-bamberg.de oder telefonisch 0951 – 871 108.

www.nonoisemusic.de

QUELLE: https://webecho-bamberg.de/eine-klangliche-buehne-fuer-friedrich-hoelderlin/